Der Trinker

Die Überschrift hat nichts mit Dostojewskis Spieler zu tun, nichts mit Hans Falladas Trinker von 1944, höchstens mit Harald Juhnke, der bekanntlich Berliner war und Trinker wurde. Der perfekte Protagonist für die Verfilmung von Toelle/ Plenzdorf und um die medienwirksame Krankenversicherungsstudie der DKV ab absurdum zu führen.

Doch zunächst möchte ich klein und verständlich anfangen:

In Berlin lässt es sich wirklich lässig leben. Wenn man solvent ist, natürlich noch lässiger.
Aber auch prekär wird man einigermaßen in Ruhe gelassen, denn man ist ja nicht allein und somit kein bunter Hund, zumindest hier in der Hauptstadt verhält es sich so.

Dies lässt sich unter anderem sehr gut an der alljährlichen Selbstfeierei Berlins ersehen, wenn es sich auf der Organisationszielgeraden zur Berlinale befindet. Was sich da für Leute rumtreiben!! Überall Straßenzeitungsverkäufer, Musikanten und Almosen-Forderer, die von der kosmopolitischen Solvenz der Berlinale Besucher einen Euro-Groschen abhaben wollen.
(Die halten sich wenigstens wieder d’ran, an die ihnen gebührende Bescheidenheit, anders als in den 70/ 80ern, die auf eine der Yorck-Brücken den äußerst markanten Satz gesprüht haben: „Wir wollen kein Stück vom Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei!“)

Vielleicht sollte ich die Gruppe der Taxifahrer mit einbeziehen. Obwohl es sich bei dieser Spezies etwas anders verhält. Mit mehr als 9700 Organisierten, bilden sie eine dienstleistende Schwarmintelligenz, die auswärtigen Berlinale Besucher zu schröpfen.

Die Fashion Week hätte sich ja auch super für diesen berlin-typischen Eigen-Hype hergegeben, hatte letztes Jahr auch einen enormen Hype-Aufschwung, doch für dieses Jahr gab es hier wohl einen Hype-Dämpfer. Muss an irgendwelchen Unstimmigkeiten wegen der Insolvenz der Bread’n’Butter liegen. Dadurch ist sie aber bescheidener in der medialen Wiederaufarbeitung, was aber nicht wirklich gewollt gewesen sein kann.

Ich mische mich also auch dieses Jahr wieder unter das solvente Berlinale-Besucher-Volk, ohne ein Teil derer zu sein, die bis zu 310€ pro Tag ausgeben werden.
Ja, es ist wieder soweit und mein Freund M ist auch diesmal wieder nicht dabei!

Ach M, wie hatten wir es schön, damals, anno 2010, als wir der Kälte die eiskalte Stirn boten und uns Film um Film in unsere cineastisch ausgemergelten Köpfe einbauten…

Aber das nur am Rande, es hat ja auch niemanden zu interessieren, außer ihn und mich.
Aber es ist überdies eine gute Überprüfungsmöglichkeit, ob er, M, diesen Prä-Berlinale Eintrag überhaupt registriert haben wird.

Der Tagesspiegel, den die Briten hier 1945 etablierten, bringt jeden Morgen sein recht neues Format Checkpoint unter die Leute.
Den kann man sich, zum Beispiel als reflektierender Berliner, auch ganz problemlos als Newsletter ins Haus bzw. auf das web-fähige Gerät holen und wird für ein paar Minuten sehr ironisch, manchmal auch sarkastisch, über das Neueste in und um Berlin unterhalten.
Für Köln gibt es solch eine Kolumne, wie diesen Berliner Checkpoint, noch nicht.
Das wünsche ich mir!

Also registriere ich, wenn ich in Berlin verweile, jeden Tag aufs Neue, wie viele Tage der BER bereits seine Türen schon über das erste Eröffnungsdatum hinaus verschlossen hält: 971.
Das sind viele. 30 mal mehr Euros verschwinden allerdings jährlich auf das Konto von Ex-BER-Sprecher Schwarz für seine Fähigkeit, als Honorarprofessor unsittlich von seiner Managerposition enthoben worden zu sein.

Nun stellt sich die Frage, wie er, Herr Schwarz, sein monatliches Gehalt von schlappen 30 Tausend Euros zzgl. Spesen unter die Leute bringt? Trinkt er? Sitzt er viel? Wird er wohl,
wenn er viel trinkt. Also ich würde viel trinken, wenn ich durch Wowi Privatier geworden wäre und es mir leisten könnte. Ich würde mich über diesen Schildbürgerstreich wahrscheinlich wahnsinnig freuen, aber ich hätte auch ein schlechtes Gewissen. Leider entzieht es sich meiner Kenntnis, ob ihn ein schlechtes Gewissen plagt und er seine Honorarprofessur mit derselben, steten Leidenschaft weiter verfolgen kann?
Ich hätte in seinem Fall ein richtig schlechtes Gewissen, Studenten etwas von Flughafenlogistik zu erzählen und dafür wiederum Geld zu kassieren. Und jetzt neuer Flughafen-Chef? In Rostock-Laage? Mir bliebe doch nur das Saufen.

Laut einer DKV-Studie haben die Berliner einen Meistertitel im Sitzen zu saufen!
Dagegen sollen sie sich aber überdurchschnittlich gesund ernähren und, ebenso von der Bundesmasse enthoben, recht gestresst sein.
Ich wollte beim gestressten Saufen bestimmt nicht stehen. Die Möglichkeit des tiefen Falls wäre viel zu hoch!!

Generiert dies daraufhin den daraus logischen Schluss, wer übermäßig Alkohol konsumiert,
dazu auch noch übermäßig rauche, könnte nicht gelassen bleiben???
Das, liebe DKV, kann ich nicht als seriös erachten.
Der Berliner trinkt, um nicht noch gestresster zu sein!
Und überhaupt: Schon mal einen Trinker gesehen, der nicht raucht oder geraucht hat??

Oder glauben Sie etwa, Herr-Ex-BER Vorstand Schwarz rauche? Mir ist nämlich aufgefallen, wer nicht raucht, im Allgemeinen schlauer scheint. Hätte Herr Schwarz diese Schläue gezeigt, wenn er rauchen würde?

Liebe Raucher, ich darf dies hier niederschreiben, denn ich rauche selbst,
wenn auch mittlerweile sehr wenig, jedoch frage mich von Zeit zu Zeit, ob ich nicht noch schlauer würde, wenn ich das Rauchen komplett bleiben ließe?

Ja, ich weiß, jetzt werde ich wieder mit Leserbriefen über meine faschistoide Aussage gegenüber Rauchern bombardiert und ich muss diese leider alle selber beantworten, weil ich keinen Sprecher bzw. keine Sprecherin habe.

Und kommen Sie mir nicht mit Bundeskanzler a.D. Schmidt, Hemingway oder Hanna Arendt. Bleiben Sie mir fern mit dieser uralten dialektischen Schrift von Rüdiger Suchsland.
Erwähnen Sie nicht Wiglaf Drostes Die Rauchende Frau.
Es ist lediglich der Versuch, sich das eigene Laster schön zu schreiben…
Auch den Clooney-Film Good Night and Good Luck, werde ich als Beweismittel nicht zulassen, denn alle und alles Erwähnte, sind Existenzen ihrer Zeit,
als das Rauchen noch en vogue war.

Doch eines lässt sich recht sicher behaupten: Wer raucht trinkt. Auch gerne übermäßig –
ist keine Spaßbremse, zu zahlreichen gemeinsamen, auch sitzenden Runden bereit.
Denn gesellig ist der rauchende Mensch an den Alkohol gebunden; seit langem schon in buchbaren Limousinen, weil auf Amerikas Straßen das Rauchen verboten ist.
Vor 20 Jahren spielerisch bei Skat und Co im Wirtshaus, vor 160 Jahren aufklärerisch diskutierend in den aufkommenden frühklassizistischen Rauchersalons, heute in hippen Retro-Vintage-Bars, die in Szenekiezen die Nachfrage nach Coolness bedienen.

Und noch ein DOCH:
Benötigt man dazu wirklich eine Versicherungsstudie, die noch dazu alleinig auf der Selbstauskunft der Probanden, sprich Befragten, beruht, um festzustellen, dass der freischnäutzige Berliner, die Molle und den Korn für überlebenswichtig hält in einer Stadt, die vom prekären Ostlohn-Niveau geprägt ist und hinter jeder Ecke eine neue Unsicherheit bereithalten könnte?

Das frustrierte Berlin

In der Hauptstadt macht sich Frust breit. Ist Frust an der Tagesordnung. Jeden Tag in den Medien nur Frustmeldungen:
Die BVG lässt sich die Werbung für ihren, aber Berlin zu gute kommenden, Lückenschluss durch Bärlinde gar einiges im Tagesspiegel kosten. Um Verständnis beim Bürger zu wecken?
Die Staatsoper wird gute zehn Prozent teurer, in der Nähe des Kulturforums wird für 200 Millionen ein Neues Museum der Moderne entstehen. Vermutlich der letzte Streich unseres noch amtierenden Kultursenators Klaus Wowereit.

Das Schloss wird torpediert und von Manfred Rettig beschützt, der aber leider erst ein Drittel der Kosten für dessen Fassadenbehang eingesammelt hat.
In Marzahn begegnen sich Asylantenbegrüßer und deren Feinde, eventuell auch als Neonazis zu betiteln auf skurril aggressive Weise. Und die Aggression schwappt über nach Pankow.
Der BER macht wohl nicht vor 2018 auf, Mehdorn macht seinem Namen keine Ehre, sieht sich lieber als Sau und Wowereit selbst entschleunigt den Flughafen und damit sein Leben.

Und überhaupt:
ist doch sowieso überall Baustelle hier in der hippsten Stadt gleich hinter New York.
So sähen sich die Macher Berlins sehr gerne.
Da fällt doch gar nicht auf, dass derweil die Zimmermieten für WG-Leerstände explodieren und Studenten keine günstigen Wohnheimzimmer mehr finden, weil diese belegt sind.

Aber der eigentliche Clou, spitzt sich erst seit einer Woche zu.
Jetzt nimmt sich der Görli und sein Umland in der besonders hippen Lage Kreuzkölln heraus,
ein rechtsfreier Raum zu werden. Denn der Drogenverkauf nähme überhand. Berichten die Medien. Und alles nur wegen der Touristen! Die Jungen wollen Drogen und deswegen reichern sich immer mehr Händler im alt- und stadtbekannten Gebiet an, um sich etwas zu gönnen. „Ey, gönn‘ Dir was, läuft bei Dir, wa?“ Jugendwörter von früher und heute, die die dealenden Schwarzafrikaner bestimmt nicht auf dem Schirm haben.

Die können ja nüschd dafür; als Flüchtling dürfen sie ja keine legale Arbeit annehmen und werden somit in die Illegalität getrieben. Man sollte die Drogen-Freier unter Gesamtverantwortung stellen. So wie dies im Falle der skandinavischen Prostitution schon umgesetzt worden ist.
Dort zahlen die Freier Unsummen für den Versuch ihre unbefriedigte Lust zu bändigen.
Wenn sie denn beim Kauf erwischt werden.

Dies ist im Berliner Drogenmilieu allerdings noch nicht so und so haben zwei Betreiber einer türkischen Shisha-Bar in der Skalitzer Straße die deutsche Lex in eine türkische Scharia-Sure transferiert und zwei wirklich junge Ghanaer niedergestochen.

Immerhin hatten die Betreiber die Dealer mehrere Male gewarnt, bevor ihnen die Hutschnur riss. Na ja, sie leben ja noch. Allerdings ist die Shisha-Bar nicht mehr zu gebrauchen, denn Freunde von Freunden haben diese nach Bekanntwerden kurzerhand verwüstet.

So wie es sich darstellt, zieht jetzt in Berlin wirklich Großstadtflair ein. Zumindest wird der jetzt ganz schnell populär. Bandenkrieg zwischen den ethnischen Gruppen. Türkei vs Schwarzafrika. Und das in Berlin. Ich möchte daran erinnern, dass die Türkei hier in Berlin wesentlich stärker vertreten ist.

Die Polizei ist hilflos. Man zeigt zwar silberblaue Präsenz und verhaftet zuweilen einen kleinen Fisch, doch die können es sich locker leisten, weil sie mit unter 15 Gramm am eigenen Leib unter der persönlich verfügbaren Menge des Eigenbedarfs bleiben. Will einer der Drogisten, die zum Einkauf in den Görlitzer Park kommen, doch mehr, geht man gemeinsam zum Bunker.

Das ist ein Sprachrelikt aus dem zum Beispiel III. Reich, der ins schwarzafrikanische Berlin transformiert wurde und jetzt als Schutzraum für Drogen dient. Schutz vor unerlaubtem Zugriff. Die Polizei ist tatsächlich ein wenig überfordert und kann diese Bunker gar nicht alle ausheben.
Jetzt werden die Hecken gestutzt, damit die Dealer nicht mehr im Schutz des Dschungels arbeiten können werden. Vielleicht will man senatsseitig erwirken, dass sich die illegal arbeitenden farbigen Mitbürger nicht mehr heimisch fühlen und sich allmählich von selbst davon machen???

Die Hasenheide ist gar nicht so weit weg. Da ist noch viel Platz, um sich dem illegalen Verkauf zu widmen. Macht man ja schon. Aber auch hier besteht, wie im Görli, das große Problem der Verwahrlosung. Bürger, Frauen, vor allem mit Kleinkindern trauen sich nicht mehr in ihre städtischen Naherholungsgebiete, weil Furcht vor Übergriffen besteht, seien sie nun verbal oder physisch.

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann sieht sich einem massiven Problem gegenüber.
Zu lax, zu weich, zu liberal zu sein. Was tun im Görli? Die Sache spitzt sich zu!
Gibt es mehr Geld vom Senat? Vielleicht doch noch die Coffeeshop-Lösung?
Eine von den Grünen bereits letztes Jahr klar durchdachte Berliner Lösung einer hauptstädtischen und mikroskopischen Drogenlegalisierung und einer kontrollierten Drogenabgabe, an der der Senat gleich noch mitverdienen könnte.

Aber wer bewachte diesen dann, um zu verhindern, dass ihn die Dealer in einer Gemeinschaftsaktion zerlegten? Nach meinem Dafürhalten würden sich die an der gemeinschaftlichen Abrissaktion Teilnehmenden das Beutegut eher unter sich aufteilen,
um es so dem Schwarzmarkt wieder zuführen zu können, als sich vom Senat auf diese Weise überreden und daraufhin das Dealen bleiben zu lassen.
Denn merke:
ohne perspektivierende Motivation wird der Schwarze mitnichten zum Weißen —- Markt!!

Mehr Personal!, wir benötigen mehr Personal! Das ist der Schrei, den die Ausführenden in die unerhörte Berliner Luft entlassen.
Doch das Personal, das steht leider nicht zur Verfügung, weil es in den Südwesten nach Derwitz ausrücken muss, um die entflohene Zippe einzufangen. Ein Känguru, ein einziges nur, aber sie ist eine Boxerin und sie will in Freiheit leben. Sie nutzt die Gelegenheit, die ihr ein unfreiwilliger Fluchthelfer offeriert, als er den Zaun ihres Gefängnisses durch ein unsachgemäßes Fahrmanöver einreißt und Zippe sich durch einen beherzten Sprung in die Freiheit rettet.
Dafür lässt sie sogar Ehemann und Sprössling hinter Elektrozaun und Hecke zurück.

Das komplette Ordnungsamt des kleinen Ortes und die sich in diesem Abschnitt auf der A2 befindlichen Autofahrer nehmen an dem „Rettungsaktion“ genannten Zugriff teil.
Doch leider sind die Mitarbeiter nicht darauf vorbereitet und Zippe entfleucht erneut.
Das Tier bleibt bis zum Redaktionsschluss flüchtig.

Die Flüchtlingspolitik scheint auf ganzer Linie gescheitert…

Aufstieg des Falls zum Hassobjekt

Vorvorgestern war also 25 Jahre Mauerfall. Eine schicke Sache. Ein Vierteljahrhundert ohne Teilung, die Mauer ist nur noch in ein paar Köpfen ganz hoch und die bekommen wir aber auch noch enthauptet…
Das übliche Gequatsche, das wir schon alle so oft gehört haben.

Philosophen und selbst ernannte Experten machen sich schon genügen Gedanken ums Zusammenwachsen, von dem, was litaneiartig zusammen gehört. Seltsames Wort, sieht falsch aus und ist doch richtig!.

Verstehe man mich hier nicht falsch, ich bin keiner dieser linken, großspurigen und -bürgerlichen SoZis, die sich die Mauer nach der ersten, durchaus sehr schnell verflogenen Euphorie wieder zurück gewünscht hatten.
Vielmehr habe ich mir just am vorgestrigen Abend wieder und wieder in den Hintern beißen wollen, weil ich das Angebot meiner Mutter, mir damals mit gerade Mal fast 19 Jahren ihr Auto zu leihen, um noch am Abend des Falls nach Berlin ins Zentrum der Weltgeschichte zu fahren, aus Interessenlosigkeit abgeschlagen habe.

Jawoll, schlicht zu sozi damals. Ich meine, natürlich versuche ich nach wie vor Toleranz gegenüber meinen Mitmenschen zu üben, was aber gar nicht so einfach ist, wenn ich direkt von der Intoleranz meines Gegenübers betroffen bin.
Weshalb waren es gerade die sogenannten politisch Toleranten und Liberalen,
die die Einheit gerne anno der frühen Jahre nach dem Fall ungeschehen machen wollten?

Wegen der ungünstigen Entwicklung, dass das Zusammenwachsen und die blühenden Landschaften jetzt aber doch teuer, gar zu teuer würden und sich die ach so toleranten Großbürgerlichen und Linksliberalen nun lieber doch auf ihren Pfründen ausruhen wollten. Da haben sich die Reaktionären weit besser verkauft: Brandts historischer Ausspruch (wohlgemerkt SPD!) wurde durch die Konservativen instrumentalisiert und dem Bürja in Ost um die Ohren geschlagen, indem er verraten und verkauft wurde.
Der Hegemon hetzte seinen Kettenhund die Treuhand auf die noch zu gebrauchenden Wirtschaftsgüter.

Nun denn, die Mehrheit hat sich mit der Abwesenheit der Mauer abgefunden und es gehört unabdingbar zum guten und genormten Ton, daran nicht mehr zu rütteln.
Was sich auch dadurch nachempfinden lässt, dass alle Welt und damit natürlich Berlin, versucht, dieses Ereignis rundherum gebührend zu feiern. ‚Ein Vierteljahrhundert wieder ein gesamt-deutscher Staat!‘
Stark, wirtschaftlich, militärisch, bollwerkbildend, immer bestrebt, den Schein der Toleranz nach außen zu tragen, um im Innern die Mauer an die Grenzen Europas zu verpflanzen.

Das Zentrum für politische Schönheit, hat es bereits vorgemacht und die Erinnerungskreuze um den Reichstag an die Außengrenzen Europas gebracht. Die innerdeutschen werden zu außereuropäischen Flüchtlingstoten. Die Lichtlinie, die Mauernachbildung der Gebrüder Bauder, die sich uns also zu den Feierlichkeiten in die Netzhaut brennen soll, entsteht nunmehr an den Außengrenzen Europas neu.

BallonEbert
Seien wir ehrlich. Im Grunde weiß sogar der Berliner nicht mal mehr, wo die Mauer noch verlief.
Der Ossi noch eher als der Wessi. Ich hingegen sehr wohl. Ist ja Teil meines Jobs.
So betrachtet, ist die Nachbildung einer aus 8000 (andere Quellen sprechen von 7000) Ballons bestehende und 15 Kilometer lange Lichtlinie eine gute Sache.

Mein Verabredungen auf der Fanmeile konnte ich vergessen. War ich doch erst um 18h aus Köln am Bahnhof Zoo angekommen, wo ich und der Bürger im Allgemeinen (denn wir sind ja alle Berliner!) als Rind bezeichnet werde. Klasse Werbung, ich finde sie keineswegs verwerflich. Was sich allerdings als verwerflich darstellte, war die Unauffindbarkeit der SEV-Haltestelle. Man habe die U2 von donnerstags bis sonntags aus dem Verkehr gezogen. Sanierungsarbeiten. Sagte man mir.
Laut Aushang fährt der SEV ab Haltestelle 8 vom Bahnhofsvorplatz.
Leider ist diese unauffindbar. Unter Zeitruck kann ich auch schon mal eine teure Entscheidung treffen!
„Bis Kurfürsten Ecke Genthiner bitte.“ ich hatte die Faxen vom Suchen der Haltestelle wirklich dicke!
Acht Euro, um vom Zoo zur Bülowstraße zu kommen, dabei hat mich die gesamte Fahrt von Köln bis Berlin nur sechsundzwanzig gekostet. Wohin ist denn bitte die Verhältnismäßigkeit abgewandert?

Die Zeit war also knapp, denn um 19h sollten die Ballons am Brandenburger Tor starten!
Das Taxi hatte also eine gewisse Berechtigung!!

Der Tiergarten ist gesperrt. Ich hätte mich mit meinem treuen Rad beinahe im Absperrzaun wiedergefunden.
‚Wie bei der WM? Wie beim Marathon? Na klar, wie bei jeder anderen Großveranstaltung!‘
Manche Gedanken schleichen sich auf einmal ganz klar und logisch ins Bewusstsein.
Ich hätte zuvor niemals angenommen, dass Berlin diesen Jahrestag wie eine Großveranstaltung behandelte.
Aber nicht einmal das hat es gemeistert.

Ich eile also über die Tiergartenstraße zum Brandenburger Tor. Für mich ist das die kürzeste Distanz zur Mauer, also ich meine natürlich, dort, wo sie einst verlief.
„Der Einlass zum Bügerfest ist wegen Überfüllung geschlossen“, höre ich Einzelne aus den Massen, die mich im Dreieck Lenné/ Ebertstraße und abgesperrtem Tiergarten erwarten, heraus murmeln.
Und siehe, die Massen bewegen sich kaum noch. So groß ist der Andrang zu, der helle Schein des größten Neunten Novembers, den die Deutschen je hatten.
OK, die Abdankung Wilhelms II anno 1918 war auch nicht schlecht, oder?

Wer nicht dort sein will, wo er gerade steht, kann auch nicht abgeholt werden!!!
Er kann sich lediglich in einen der permanenten Priele aus Menschenschwärmen hineindrücken und hoffen, dass sich der ausgewählte Schwarm in die erhoffte Richtung bewegt.
„An den offiziellen BüFES (= BÜrgerFestEingangsStellen: Siegessäule, Kemperplatz, Ebertstraße, Anm. d. R.) ist es hier und jetzt unmöglich, Ihnen den Zugang zu ermöglichen.
‚Die Polizei hat in den letzten 25 Jahren ja doch nicht viel dazu gelernt.‘ Ich habe dies Zitat erst vor Kurzem irgendwo gelesen.

AbsperrEbert
Die Hamburger Gitter verhindern die freie Passage zum Brandenburger Tor. Dazu sind sie auch da.
Und die Polizisten sind gut platziert, sie lassen die Bürja uff keenen Fall zu ihrem Fest.

LaserBT

„Macht das Tor auf — macht das Tor auf — macht das Tor auf – Wir kommen auch nicht wieder!“ die Menge,
in der ich gefangen bin, hat ein ordentliches Problem. Und ich damit auch. Alle wollen die Ebertstraße, entlang Richtung Brandenburger Tor, aber die Polizei ist im Weg. Alle Straßen gesperrt. Holocaust-Mahnmal gesperrt, Französische Straße gesperrt. Kein Durchkommen nach Norden zum Bürjafest.

AbsperrEbert2
Aber die Bürja stehen doch hier in der Meute, hier mit mir. Bin ich nicht auch ein Bürja? Bürja Giesecke.
Auch wenn ich den Mauerfall damals mit reichlicher Intressensabwesenheit begrüßt habe?
Ich halte es wie Kennedys: Ich bin ein Berlina! Überall.
Auch wenn ich damals nicht vor Ort war, setze ich mich doch – zumindest gedanklich –
in sehr großem Maße für die Freiheit meiner Bürja ein.

Die Ballons, noch werden sie vortrefflich illuminiert und von den abertausenden Bürjan und internationalen Gastberlinern erwartungsvoll angehimmelt. Ich mache Sprachen aus, die ich nicht erkenne und etwa die Hälfte der Anwesenden ist jünger als die Überwindung der Mauer, was mir kurzfristig #Partyvolk# durch die Synapsen jagt. Ja, diese Ballons werden zeitgleich mit ihrer Entkopplung ins Schattenreich des Zephyros übergehen. Unsichtbar wird jeder einzelne seine Fracht des mit einem Wunsch beschriebenen Pappschilds in die stürmische Nacht tragen. Denn die LEDs befinden sich nicht im Ballon, sonder in ihrer Haltevorrichtung. Umweltschutz! Wenn Berlin 8000 Batterien mit LEDs in die Welt entließe, wäre es ein Umweltschwein.

Die Ballonpaten haben ihre ehrenamtliche Aufgabe nach besten Wissen und Gewissen zu erfüllen!
Wer patzt, sich betrinkt, schläft oder erst gar nicht an seinem Ballon erscheint, wird mit Ausbürgerung bestraft! Bekommen sie dann auch, wie 25 Jahre zuvor, einen Stempel auf ihr Passbild?

Dennoch werden einige der Ballons zu spät von ihren Paten entkoppelt, ja einige wollen sich partout nicht nach oben in den Nordwestwind bewegen. Sie werden auf für diejenigen stehen, die an der Mauer und dem System festhalten wollten!
Ob dafür aber nun menschliches oder technisches Versagen Schuld ist, lässt sich aber leider nicht herausfinden. Wer bekommt nun den Stempel und wohin?

Kluge Leute sagten voraus, wahrscheinlich hofften sie mehr, dass die Ballons mit einemfeinen Ostwind in Richtung Polen unterwegs sein würden. Welche Symbolik!! Denn das war ja auch schon oft zwangsgeteilt.
Allerdings gleich mit totaler Auflösung.
Aber der Wind ist unberechenbar und so landeten die Ballons in Tegel, wo, wie jeder weiß, ein noch funktionierender Flughafen seinen Dienst tut. Um Himmels Willen: 8000 UFOs! (unbeleuchtete Flugobjekte)

schön zu erkennen, dass zwei Stück Ballon hängen geblieben sind
schön zu erkennen, dass zwei Stück Ballon hängen geblieben sind

Durch den erst kürzlich ausgestrahlten Fernsehfilm Bornholmer Straße, lässt sich gut extrahieren, wie verarscht sich die Ost-Bürja von damals gefühlt haben mussten, als sie sich an dieser legendären GÜST einfanden, um mit den auf Seite 2 gelinkten Worten (na, wer hat aufmerksam gelesen??) und zum Glück erfolglos von dannen geschickt zu werden.
Der Film ist allerdings sarkastisch überzeichnet, persifliert sich geradezu selbst, doch fängt er die Spannung und die Bedeutung des Ansturms auf die Bewahrung der Grenze sehr gut ein.

Ich bin also im Gitter verklemmt, vor mir steht eine Wanne mit laufendem Diesel, drei weitere dahinter (das sich drehende Blaulicht zerstört übrigens jegliche pathetische oder nur feierliche Stimmung), links und rechts Menschen in Massen. Ich sehe die erlösende Befreiung aus der Enge, das Holocaust-Mahnmal ist nur ein paar Meter vor mir entfernt, doch die Polizisten rufen in vereinten Kehlen:

„Gehen Sie nach hinten weg, Richtung Potsdamer Platz, das Bürgerfest ist geschlossen, Sie kommen hier nicht durch!“

25 Jahre Jahre danach, was für eine Wiederholung der Geschichte. Am selben, fast zur selben Zeit mit fast den selben Worten. Das kann nur Berlin, das für mein Dafürhalten komplett überfordert war. Eine Millionen Menschen. Alle ehemaligen GÜST waren überfüllt, gerade die GÜST Bornholmer Straße,
aber der Umgang mit den Bürgern zur Fanmeile hat die desaströse Planung offen gelegt.

Als ich später doch noch mit Hilfe eines Presseausweises auf die Fanmeile passieren konnte,
war diese nahezu leer, einzig vor Tor und Bühne war es noch gedrängt.
Bezüglich Organisation, Technik und Vorbereitung auf den Ansturm, den dieses Ereignis eben bedingt,
hat es sich Berlin genau so angestellt, wie es einen Flughafen bauen würde.

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Nachdem sich der außerbürjaliche Mob nun nicht dazu bewegen lässt, diese voll besetzte und schnuckelig mit Diesel geschwängerte Ecke hinter Mahnmal und Wannen zu verlassen, raune ich diesen Polizist im der Dieselwanne an, ob er denn den Diesel wohl ausmachen könne, es stänke, doch sehr.

der Fahrer hat sich gerade hinter die A-Säule versteckt
der Fahrer hat sich gerade vor lauter Scham hinter die A-Säule versteckt

„Dit is wejen der Standheezung, Mensch! Weeßte wat, ick hätt heut Abend eijentlich frei jehabt, musst nur wejen dit hier rinnkommen. Hätt ick ma schön uff’m Sofa die Beene hochlejen können. Und nu ditte!
Scheiß Mauerfall!“

„‚Scheiß Mauerfall!‘, dit is ja ma ne Wucht, wa!
Die Brisanz dieser Worte ist ja gar nicht zu bemessen.

Entjungferung am Lustgarten

Zu Beginn möchte ich mich bei meinen Lesern entschuldigen.
Bei meinen sich nach Lektüre verzehrenden Lesern besonders.
Warum hat sich der nach Lektüre verzehrenden Leser, denn nicht gemeldet?
Es hätte doch eine Anfrage gereicht? Nicht, dass ich deswegen geschrieben hätte,
doch es wäre ein Zeichen an mich gewesen, dass sich irgend jemand Gedanken machte…

Vielleicht in der Art:
< Ich lese gar nichts mehr von Dir, geht’s Dir gut? Noch alles klar mit Deiner Traumfrau? Was ist passiert, weswegen Du Deinen blog nicht mehr fütterst?>

Aber nein, ich muss diese Fragen sch(m)erzheischend selbst formulieren.
Adonis, es ist noch alles klar!
Und ich freue mich, dies frei und rundheraus an Dich richten zu dürfen.

Nach so langer Schreibpause, die nicht in einer so überaus beanspruchten Schreibblockade fußte, nein schlichtweg an Zeitmangel lag, wie etwa Reisen von Ost nach West und retour, Zweisamkeit und überhaupt immer etwas zu tun, muss ich dennoch wieder üben.
Üben, ob ich wieder einen klaren Gedanken formulieren kann.

Dies will ich über das Thema Marathon und die Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin entwickeln.
Auf den ersten Blick, passen diese Themen nicht zusammen. Auch auf den Zweiten nicht.
Die beiden Ereignisse, Berlin Marathon und mein erster Dombesuch, fanden schlichtweg am selben Tag, dem 28.September, statt.

Der Marathon war wie üblich bestens organisiert. Den Tiergarten sperrte man bereits zwei Wochen vor dem Ereignis großflächig und überwiegend ab. Zur Freude von Visit Berlin, der berlineigenen Berlin-Vermarktungsgesellschaft, wuchs das Marathon-Fieber von Tag zu Tag. Denn das Großereignis würde mal wieder mehr Geld als letztes Jahr in die berlineigenen und Hotelkassen spülen.

Der typische Bewohner, der an der Strecke wohnt, kann sich freuen, wenn er Marathon-Fan ist, wenn er dies jedoch nur bedingt ist, ja dann hat er ein großes Lärmproblem.
Unter meiner Behausung formierte sich doch tatsächlich eine Trommelgruppe von locker fünfzehn Mann, die recht pünktlich, bereits um 9:19h!, zur Durchfahrt der Handbiker bei Kilometer 35/36 zu lärmen begannen.

links, die Gruppe
links, die Gruppe

Sogar das Telefonieren war mir im dritten Stock auf der Südseite verwehrt. Zusätzlich dazu, war die Nacht bis hierhin sowieso recht kurz, was die Reizschwelle in solchen Momenten erheblich herabsenkt.
Nein, sie hatte kein Erbarmen mit mir und ich war mir plötzlich ganz sicher, dass diese Trommler nicht wegen der Sportler-Unterstützung an dieser Stellen positioniert waren, sondern allein, um mich zu ärgern!
Die hielten das bestimmt, bis der letzte Läufer durch war, ca. drei Uhr. So verließ ich meine Heimstatt lieber gegen halb zwei, mit zwei geschmierten Stullen für’s Radeln, um zu meiner Entjungferung zu gelangen.

Das Gute an kundigen Stadtführern, ist ja deren Ortskenntnis, und so konnte ich Wege zum Lustgarten wählen, die vom großen Aufruhr nicht betroffen waren. Geschickt umschiffte ich die prekären Punkte, um dann doch noch auf die Linden einzubiegen.
Natürlich war die ebenfalls gesperrt, doch da lief momentan keiner.
Denn die Kenianer und Ghanaer und Superschnellen waren schon lange beim Ruhen.
Und das große Feld wollte den Zieleinlauf erst noch erreichen.
Also hatte ich, mit einigen anderen Regelbrechern, das erhebende Vergnügen, den Boulevard ohne Verkehr entlang zu cruisen.

Mein lieber Freund J wartete bereits auf den Stufen der Oberpfarrkirche. Ein Sonnenanbeter vor dem Herrn. Kaiserwetter zum Besuch der Kaiserkirche, die Wilhelm II ja als Kaiser auch erbauen ließ.
Allerdings hatte mein Magen ungünstig wenig zu sich genommen.
Zwei Stullen während des Radelns.
Zeitersparnis ist eben alles, wenn die Sonne zur Aktivität ruft.

Also ein Besuch unter Kohldampf!
Und es standen uns über 267 Stufen bevor. In dieser Kirche bevor.
Abgesehen von 100 Sarkophagen im Keller. Der Hunger wuchs allein schon beim Gedanken daran.

Aber genau dies hat mich am Einschlafen während des folgenden Vortrags gehindert. Kurz entschlossen und überaus passgenau, durften wir einer Domerklärerin lauschen, die sehr Wissenswertes zum Dom preiszugeben hatte. Aber auch die Nacken der Zuhörer strapazierte, indem sie immer wieder auf Kunst, Skulpturen und Reliefs deutete, die sich rund um und in der 70 Meter hohen Kuppel befinden. Ein erstes vernehmliches Knurren! Schon jetzt?

Der Aufstieg startete nach dem Abstieg zur Toilette im Keller. Nicht besonders clever, 30 Stufen zusätzlich zu bewältigen. Aber wenn schon, dann eben alle auf einmal. Die Wände der verwinkelten, engen Treppenaufgänge, die Flure zwischen Innen- und Außenhaut der Kuppel, sie alle waren bestückt mit Aufnahmen vom Wiederaufbau ab 1977 – men at work,
der zum allergrößten Teil vom Westen finanziert wurde.

Der Dom war im Begriff abzusaufen. Nein, nicht im Hochwasser. Die Spree hat solche Schwankungen nicht, obwohl die ein oder andere Hohenzollernleiche doch schon in der Spree gebadet hatte. Nein, von oben. Eine Fliegerbombe hatte die Kuppel 1944 geöffnet. Es regnete hinein. Und ein paar Clevere holten Einiges heraus. Ziemlich viele Orgelpfeifen beispielsweise.
Ein Plastikplane schütze den Dom ab 1946 zwar, konnte aber nicht verhindern, dass sich Gottes dicke Tränen nicht doch einen Weg ins Innere bahnten.

Er wurde von innen zerfressen. Oben, empfing uns dann aber strahlender Sonnenschein und eine fantastische Aussicht auf Berlin mit seinen in Mitte positionierten Baukränen.
Belohnung für des Aufstiegs Mühsal unter Treibstoffmangel.

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Doch sogar der Fernsehturm zeigte sich beglückt, ob unseren Erscheinens. Man hatte den Eindruck, er wackelte vor Freude. Vielleicht hat jemand seinen eins Komma fünf Tonnen Pendel angeschubst? Der link auf die Turm-webcam muss der Leser unbedingt ansehen.
Pure Freude der Bewegung. Auf den Panoramabildern, mein just für diesen Tag neu entdecktes Spielzeug, ist vieles zu erkennen, das bekannt sein müsste. Neu jedoch ist die Ansicht der Schlossbaustelle von oben. Eindrucksvoll, wie schnell die sind. Samstagsarbeit seit Juni 2013. Manchmal hat man wirklich den Eindruck, es könnte doch in der geplanten Zeit von statten gehen. Nur leider bei den falschen Projekten.

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Hunger!! Doch vor dem Stillen, lagen noch zwei Sationen, Und der Besuch des kleinen Dommuseums, wo all die Vorgänger des heutigen Doms in Bildern und riesigen 1:50 Modellen ausgestellt sind, war die erste davon.
Ein Muss, wie ich vernahm, und meine Ehrerweisung an J. Wenn schon drin, dann muss man auch alles einmal gesehen haben.

Der Hunger wurde langsam unerbittlich!!! Doch waren wir immer noch nicht im Reich der Toten. Da musste ich wohl noch knurrend hindurch!

In der Hohenzollerngruft warten noch die Sarkophage, die die Bombe nicht erreicht hatte.
Doch handelt es sich hier eher um ein Museum; ein Gruftgefühl konnte ich nicht erhaschen. Weder ist es feucht, noch kalt, noch gruselig. Weiß getüncht, mit Hygrometern versehen und mit den Exponaten auf Holzsockeln, ist man hier auf der sicheren Seite, dass die Zinksarkophage nicht noch weiter zerbröseln.
Ganz Kurze, sehr Verzierte, sogar Namenlose sind dabei. Die Kindersterblichkeit war auch unter Fürsten, Königen und Kaisern höher als von mir vermutet.
Die Prinzen und Prinzessinnen starben so schnell, dass sie nicht mal getauft werden konnten.

Huuuunger!!!! Diese für mich unerträgliche Situation, blockierte all mein Denken.
Endlich wieder an der Sonne, konnte ich mein Verhandlungsgeschick unter Beweis stellen
und wir entschieden, meinen Drang nach dieser anstrengenden, dreistündigen, kirchlichen Entjungferung bei meinem Lieblingsvietnamesen zu stillen.

Graus

Inzwischen gehöre auch ich zum Jet-Set. Mein Fußabdruck wird größer in Zeiten des zwingenden Schrumpfens. Doch wenn die Liebe woanders sitzt, abgesehen vom Bauch, Herz und Verstand, muss ich mir den Schuh eben anziehen und in den Flieger steigen!

Und große Schuhe kosten viel Geld. Leider habe ich diesen Schatz nach wie vor noch nicht gefunden. Vielmehr befinde ich mich auf seiner Suche. Ein wiedergefundener Freund schrieb vor gar nicht langer Zeit, dass er auf der eigenen Suche nach demjenigen sei, der das Geld erfunden habe, um ihn, weil er eben ständig dem Geld hinterherrenne, endlich zur Rede zu stellen und ihn nötigenfalls zu töten; wenn der Erfinder keinen plausiblen Grund für des Geldes Einführung darlegen könne.

Ich will mich dem anschließen, obwohl ich grundsätzlich nicht straffällig werden will.
Käme ich denn damit überhaupt weiter? Ich nehme nicht an, dass die Erfindung mit dem Tod des Erfinders vom globalen Markt zurückgezogen würde. Doch allein, ein Exempel zu statuieren…

Ich fliege nun also öfters von Berlin nach Köln und wieder zurück und habe mir, durch die Hilfe meiner heißen Frau, einen Stadtbilderklärer-Job per Rad in Colonia Claudia Ara Aggrippinesium (Köln) ergattern können. Jetzt muss ich nur noch beweisen, dass ich die Gäste unterhalten und informieren kann. Dann bin ich Führer in zwei Städten. Aber Ambitionen, ein Imperium zu führen habe ich nicht! Keine Bange.

Aber schon allein in zwei Städten präsent zu sein, stellt ein großes Problem dar. Wenn dann noch ein spanisches Dorf hinzu kommt, wird es finanziell sehr übersichtlich. So ist aus dem Jetset zwischen B und K auch noch ein Graus geworden. Im Moment dieser Wortfindungen, sitze ich in einem Café voller Kindergeschrei, in einem Städtchen mit eben dem Namen Graus; in Nordspanien, 50 Kilometer von der französischen Grenze entfernt und werde noch weitere vier Nächte in diesem pittoresken Ort verweilen.

Aber vielleicht sollte ich etwas chronologischer vorgehen:
Am 22.04. sind wir zwei Verliebten sehr spät von TXL nach CGN gejettet, aber leider ist die letzte S-Bahn in ihr Kölner Bett schlicht ausgefallen „…Gleis 2, S13 Richtung Hansaring, um 23:34h fällt aufgrund von Bauarbeiten aus!…“, woraufhin sich die Bettung mit Bier und allerlei Neben-Organisation bis weit nach ein Uhr hinzieht. Schlimmer Kater.

Am 23. meine erste Tour und danach Besprechung bei meinem neuen Kölner Auftraggeber, inklusive neuer Kollegen. Natürlich mit einigen schlauen Bemerkungen meinerseits, denn ich bin ja Profi! – und wieder mit viel Bier. Die nachfolgenden, inzwischen schon allabendlichen, Kölsch mit meiner Liebsten führen allerdings dazu, dass wir den, für den 24ten am Kölner HBF, als spätest berechneten Ankunfts- als Abfahrtstermin deuten. So könnte mir die Fähigkeit der Zeitkrümmung – Einstein ist widerlegt! – vielleicht doch noch den Nobelpreis einbringen?

Dieser heilsvollen Fähigkeit allerdings unheilsvoll unbewusst, nehmen wir den wundersamen Zeitgewinn, der sich mir just an der Bahnhofsuhr auftut – „schau‘ doch Mal, wie viel Zeit wir jetzt auf einmal haben!“ -, um uns als Fels inmitten der von allen Seiten auf uns zu brandenden Menschenmassen zu küssen. Mitten im Kuss lichtet sich allerdings der Katernebel und mir wird die unheilsvolle Deutung völlig bewusst. Doch nix mit Zeitkrümmumg!

„Lass‘ uns es doch wenigstens versuchen, den Flieger nach Spanien noch zu erwischen!“
„Oh Mann, wenn wir doch wenigstens schon eingecheckt hätten…!!“
Dies ist von ihr allerdings eine sehr schlaue, konjunktivische Bemerkung, weil ich nämlich just genau dies weder am Nachmittag noch bei Kölsch und Witz am Abend zuvor geschafft habe. Und es würde uns – jetzt im Nachhinein betrachtet – Unsummen von Geld gespart haben.

Die Bahnfahrt zum DUS ist also eine Fahrt zum Flughafen, sozusagen ins wissentliche ‚Verderben‘, den Flug nicht mehr erreichen zu können.
Nur bilden wir uns ein, wir könnten es noch schaffen. Bei Brötchen und Telefonaten mit verschiedenen Flughafeninstitutionen den Schalter doch noch bitte länger geöffnet zu lassen, kommt uns der Zug allerdings sehr geschwindigkeitslos vor. „Wenn der jetzt noch langsamer wird, kommen wir jedenfalls gar nicht mehr an den Schalter!“ Natürlich tritt ein, was wir beide ahnen, aber entschieden anders hoffen. Schalter zu, Boarding noch aktiv. Hey Conjunctivus irrealis: „Hätten wir bloß online eingecheckt!!!“

Zeit ist wirklich Geld. Vielleicht sollte mein Freund tatsächlich den Erfinder der Zeit jagen, dann hätte er auch gleich den Geldgeier. Doch ‚hätten‘ bringt uns nicht weiter.
„Vielleicht soll es einfach so sein und wir machen uns ein paar schöne Tage in Köln. Immerhin haben wir die Freundesanfrage, das Häuschen mit jungem Kätzchen zu versorgen.
Entspannt im mitgeliehenem Garten lümmeln und der Katze beim Wachsen zusehen;
bloß keine Hetze.“

Die sehr angenehme Frau an irgendeinem DUS-Schalter für Abfahrtszeiten-Verdreher, ist so freundlich, dass wir einfach einen Flug später nachbuchen MÜSSEN. Obwohl ich zuvor ein klares Statement abgebe: „Wir werden aber keinen weiteren Flug nachbuchen!“
Das WAR mein Credo während der bähnlichen Zubringung ins Verpassen.
Mein Geld soll bei mir bleiben! Dieser Überzeugung werde ich ohne bewusste Entscheidungsgewalt beraubt. Allein durch die Euphorie, die leuchtenden Augen meiner Angebeteten und das tiefe Verständnis der Frau hinter dem Schalter, die es schafft, Kirchenmäusen den letzten Käse zu stibitzen. Meine Frau würde niemals locker lassen!

Die schlappen 220 Euro mehr, plus die Versorgung für einen Tag am Flughafen, reißen extrem tiefe Löcher in unsere ohnehin schmal bemessenen Reisekässchen.
Lasst es Euch gesagt sein: Flughäfen sind Apotheken mit zehn potenziert, und das ist nicht übertrieben. Es lässt sich eine Woche wunderbar zuhause leben, für einen Tag Urlaub auf einem Flughafen, an dem nur das zum Überleben Notwendige konsumiert wird.

Durch die enorme Sensibilisierung für Startzeiten – denn nochmals eine Ankunfts- als Startzeit zu verwechseln, würde uns beide total ruinieren – sitzen wir eine Stunde zu früh vor dem Boarding Counter, hinter dem sich der schon sieben Stunden zuvor begehrte Einlassrüssel befindet und versüßen uns die Wartezeit mit allerlei Teuerbier aus der Flughafenapotheke, wovon ich gar noch einige in den Flieger mitnehme. Merkt ja keiner im Handgepäck, denke ich.

„Sie dürfen kein Fremdbier in 8000 Metern trinken!“ „Entschuldigung, das wusste ich nicht“, stelle ich mich dumm, „es ist doch gleich ausgetrunken, verzeihen Sie bitte!“ Man muss freundlich sein, das hilft, um offensichtlich begangene Schieflagen ganz leicht auszubügeln. Fast alle fallen darauf herein. Nur ich nicht. Ich bilde mir zumindest ein, mir nichts vormachen lassen zu können.

Aber die Reise, mithin die Mehrausgaben, die dieser Urlaubstag auf DUS fordert, ist beileibe noch nicht zu Ende, wenn wir in BCN gelandet sein werden. Nein, nein.
Unsere Destination liegt in der pyrinäischen Pampa. Das bedeutet: nach BCN mit dem Taxi zum innerstädtischen Busterminal zu rasen, um gerade noch den letzten Bus dorthin erwischen zu können. Dieser kommt, so er den Fahrplan einhalten kann, nach dreieinhalb weiteren Stunden in einem Provinznestchen an, von wo wir dann von der Freundin meiner Frau abgeholt werden, um dann nochmals 35 Minuten zu ihrer Finca zu fahren; inklusive Fahrzeugwechsel, um die fünf Minuten Off-Road-Piste bewältigen zu können.

Kein Bier im Bus erlaubt, da keine Toilette vorhanden. Doch, natürlich ist es erlaubt, aber Mann und Frau können während der Fahrt nicht austreten, denn es gibt keine Toilette. Nun ja, vorhanden ist sie schon, aber abgeschlossen, weil sich diese spanische Busgesellschaft offensichtlich keinen Putzdienst leisten will oder kann.
Krisengebeutelt? Zu fein? Sadisten? Egal, Bustoilettenbenutzung verboten!

Abreise Köln 8:23h Ankunft beim Urlaubsbett: 01:44h, total erledigt!!!

Abflug BCN am 29.04., Ankunft DUS 21:57h. Mit den Öffentlichen, drei Trolleys nach Köln Innenstadt, Schlüssel des Katzenhauses aus dem heimischen Briefkasten holen und sodann wieder mit allem Gepäck und zusätzlicher Laptoptasche wieder mit Hilfe der Öffentlichen in diesen Vorort Kölns zu fahren, in dem die zu behütende Katze wohnt. Die Katzenbesitzer wähnen ihr Baby sicher umsorgt. Nächster Morgen, meine erste Kölntour.

Und was war dazwischen in Spanien?
Erholung? Urlaub? Entspannung?
Nein, nichts davon. Eine dufte Party unter einem eigens aufgespannten Rettungsschirm, eiseskalte Nächte mit für uns beide prächtig wachsenden Rückenschmerzen und den mehrmaligen Versuchen, diese durch privat gebuchte Krankengymnastik zu lindern. Bedingt erfolgreich, eher zweifelhaft, dafür teuer.

Und doch: ich habe viel Neues gesehen, wunderbare Menschen kennengelernt, jede Menge Calçots verspeist und meine Frau beglückt.